Viele Besucher strömten zum traditionellen Neujahrskonzert in die Bad Salzunger Stadtkirche und erlebten mit dem ukrainischen Ensemble
ausCharkiw weltbekannte, schwungvolle Ohrwurm-Melodien von Antonio Vivaldi.
BAD SALZUNGEN. Blitzsaubere, hymnische Trompetenklänge von hoch oben,wehmuts-voll intonierte Arien und als Höhepunkt weltbekannte, schwungvolle Ohrwurm-Me-lodien von Antonio Vivaldi – nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause lud die Stadt
Bad Salzungen gemeinsam mit dem Wart-burgkreis erstmals wieder zum traditionellen Neujahrskonzert in die evangelischeStadtkirche ein. Bürgermeister Klaus Bohl (Freie Wähler) freute sich „unendlich“ über die dicht an dicht sitzenden Zuhörer, darunter Ehrengäste wie den hauptamtlichen ersten Kreisbeigeordneten Udo Schilling (CDU)inVertretung des Landrates,den Bundestagsabgeordneten Christian Hirte (CDU), die Landtagsabgeordnete Anja Müller (Linke), den neuen Superintendenten des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Bad Salzungen-DermbachChristoph Ernst sowie viele weitere Stadträte, Ortsteilbürgermeister und Bürgermeister benachbarter Städte.
Trotz aller gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen, so Klaus Bohl, wolle man das neue Jahr mit Zuversicht und Freude angehen und gestalten. Mit dem Konzert setzt die Stadt kulturell ein starkes Zeichen der Solidarität: das ukrainische Nationale Akademische Opern- und Ballett-
Theater Charkiw mit seinem musikalischen Leiter Dmytro Morozov musste nach andauernden Bombardierungen der Stadt seit Beginn des russischen Angriffskrieges seine angestammte Spielstätte und das Land verlassen.
Die gewaltsame Entwurzelung, Schock und Trauer über den Verlust und die Zerstörung der Heimatließen die ukrainischen Ensemblemitglieder spürbar ins Neujahrsprogramm einfließen. Mit Dietrich Buxtehudes norddeutsch-zurückhaltender, sanft auf den Registern dahingleitender „Passacaglia“ eröffnete Dmytro Morozov an der Reger-Sauer-Orgel das Programm. Weitklingend stimmte anschließend Sopranistin Olena Shiryaeva mitJohann Sebastian Bachs „Quia respexit humilitatem“ einen andachtsvollen Lobgesang Marias an. Solist Semen Strizchenko lockerte die Atmosphäre in der Kirche gleich zweimal mit seinem glanzvollen
Trompetenspiel auf: der bekannte „Trumpet Voluntary“von JeremiahClarke, der auch bei der Hochzeit von Prinz Charles und Prinzessin Diana gespielt wurde, marschierte frisch und selbstbewusst voran, souverän begleitet von der Orgel. Im weiteren Verlauf des Konzerts begeisterte der Bläser die Zuhörer mit dem gefühlvollen „Trumpet Tune in D“, welches ebenfalls von dem englischen Barockkomponisten Clarke stammt. Weitere musi-kalische Kabinettstückchen, die alle von der Orgelempore aus erklangen, folgten mit der getragenen Arie „Caldo Sangue“ von Alessandro Scarlatti, vorgetragen von TenorIhor Bondarenko und Johann Sebastian Bachs „KonzertfürBratsche mit Orchester“,wo besonders Klarinettist Ihor Gahl mit seinem eindringlichen, seelenvollen Spiel gefiel. Tragisch und klagend intonierten Sopran und Tenor Franz Schuberts „Jesus Christus schwebt am Kreuze“, begleitet von Orgel, Klarinette und Trompete.Auch das Schlussstück des ersten Programmteils war melancholisch und schwermütig: Giulio Caccinis für seine formale Klarheit und harmonische Stringenz bekanntes Lied „Ave Maria“ versah Sopranistin Olena Shiryaeva mit dramatischen Gesten.
Dirigent Dmytro Morozov glaubt fest an einen Sieg der Ukraine und eine Rückkehr des Ensembles an seine alte Spielstätte, wie erin seiner kurzen Rede erklärte.Momentan touren die Musiker durch Europa. Mit dem Benefizkonzert in der Stadtkirche unterstützt die Stadt das Orchester. Klaus Bohl lobte die „große Welle der Hilfsbereitschaft“ unter den Bürgern der Stadt gegenüber den Flüchtlingen aus der Ukraine.
Es war der erfolgreichste Konzert-Zyklus der damaligen Zeit, verbreitet in ganz Europa und erschaffen von Venedigs berühmtesten Komponisten im Spätbarock: „Die vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. Beim Neujahrskonzert mit dem ukrainischen Orchester begeisterte vor allem Soloviolinistin Katerina Mironova mit virtuosem Spiel.
Liebliches Geigenwogen erzählte vom Frühling und den ersten warmen Sonnenstrahlen,welche die munter plätschernden Bäche vom Eise befreien, unter denen sich die ersten Halme,Gräser und Blumen hervorwagen und die Bäume sich anmutig in ihr grünes Gewand kleiden. Großartige tonmalerische Geschichten mit vielen charmanten melodischen Einfällen erzählte Vivaldi mit seiner unsterblichen Komposition – und mehr und mehr fühlten sich die Musiker in der Stadtkirche in die einzelnen Szenen hinein.
Mit Verve führt Dmytro Morozov sein kleines Ensembledurchdie Jahreszeiten,feierte den strahlenden Sommer, den nur das eineoder andere gefährlichgrollende Gewitter kurz unterbrach,ließ den Herbst von seinen Musikern mit leise vom Cembalo klingenden Regentropfenund verstohlenheran-
ziehenden Cello-Nebelschwaden in der Stadtkirche melancholisch dunkel grüßen und rodelte schließlich mit viel Saiten-Schwung von verschneiten Hügeln,begleitet von eisigen, strengen Winden. Erst nach viel Applaus und einer Zugabe entließ das Publikum das Orchester aus Charkiw.